Licht ins Dunkel aus der Sicht von Tobias Buchner
Licht ins Dunkel ist ein Lehrstück in Sachen Behinderung – allerdings nicht in der Art, wie der ORF dies vermitteln möchte. Sondern es ist ein Lehrstück dazu wie Menschen behindert werden – und wie Politiker*innen schamlos die ihnen bereitete Bühne nutzen, um sich als besonders engagiert „in Sachen Behinderung" zu präsentieren. Fleißig werden da Anrufe entgegengenommen, es wird eifrig in die Kamera gelächelt und anschließend mehr oder weniger rhythmisch zur Musik klatschend die erreichte Spendensumme und das eigene Engagement abgefeiert.
Nicht ganz so beschwingt zeigt man sich von politischer Seite jedoch, wenn es darum geht, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Menschen mit Behinderungen nicht mehr entwürdigend vor einem Millionenpublikum Geld dafür schnorren müssen, um ein anständiges Leben in Würde führen können. Wenn es darum geht, inklusive Bildung umzusetzen. Wenn es darum geht, dass dringend benötigte Hilfsmittel von der Krankenkasse selbstverständlich und rasch bezahlt werden. Wenn es darum geht, Persönliche Assistenz in genügendem Ausmaß überall in Österreich zur Verfügung zu stellen.
Die Umsetzung dieser mittlerweile jahrzehntealten Forderungen der Behindertenbewegung werden schließlich politisch strukturell behindert – mit Verweisen auf geringe Budgets, Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, usw. Aktuell zeigt sich das unter anderem am nicht vorhandenen politischen Willen der gleichen Akteur*innen wie in der Licht ins Dunkel Gala, im Rahmen des Aktionsplans Behinderung 2022 – 2030 tatsächlich jene strukturellen Veränderungen festzuschreiben, die es bräuchte um die von Österreich unterzeichnete UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gut umzusetzen. Hierfür will man scheinbar nicht Geld in die Hand nehmen – Geld in die Hand nehmen sollen lieber die zahlreichen Spender*innen bei Licht ins Dunkel. Was für eine perfide Doppelmoral.
Licht ins Dunkel erweist sich bei genauerem Hinschauen trotz der guten Absichten vieler letztlich als Inszenierung, die tatsächlichen politischen Wandel behindert.
Warum? Weil über Licht ins Dunkel eine Erzählung fortgeführt wird, dass es die armen Menschen mit Behinderungen als Bittsteller*innen auf der einen Seite gibt und die lieben Menschen ohne Behinderungen, die Spenden und derart etwas Gutes tun, auf der anderen Seite. ‚Wir' und ‚die'. Hilfsbedürftige und Helfende. Dadurch werden letztlich nicht nur problematische, defizitäre Bilder von Behinderung weiter festgezurrt. Vielmehr wird das eigentliche Problem, nämlich die strukturelle Behinderung von Menschen durch ausbleibende Unterstützung und Sicherstellung von Rechten, verschleiert. Wenn man in irgendein Dunkel Licht bringen möchte, dann nicht in das angeblich dunkle Leben von Armutschgerln mit Behinderung. Stattdessen sollte man den Scheinwerfer, gerne zur Primetime im TV, auf die zahlreichen Diskriminierungen und die systematische Behinderung von beeinträchtigten Menschen richten – und zwar unter der Regie von Menschen mit Behinderungen selbst.
Apropos Doppelmoral. Letztlich zeigt sich im selbstgefälligen Klatschen, Telefonieren und Bejubeln der Spendensumme bei gleichzeitiger politischer Untätigkeit in Sachen Rechten von Menschen mit Behinderungen ein uraltes Grundmuster im Umgang mit Behinderung. Demnach sind, wie es der britische Soziologe Bill Hughes ausdrückt, Menschen mit Behinderung „both good to mistreat and good to be good to". Auf der einen Seite werden Menschen mit Behinderungen systematisch benachteiligt und dadurch ‚mistreated' – und auf der anderen Seite kann man sich von oben herab um ‚die' Menschen mit Behinderung kümmern, lieb zu ihnen sein, als ‚gut' inszenieren – und sich dabei praktischer Weise der eigenen Nicht-Behinderung vergewissern.
Abschließend: Don't get me wrong. Spenden und Engagement in „Sachen Behinderung" sind gute Dinge. Ich spende selbst heuer wieder. Aber nicht für Licht ins Dunkel. Sondern für BIZEPS – eine Organisation die von Menschen mit Behinderungen selbst geführt wird und sich politisch für die Rechte von Menschen mit Behinderung und einen entsprechenden politischen Wandel einsetzt. Und für den Klagsverband: eine NGO, die Opfer von Diskriminierung unterstützt, zu ihrem Recht zu kommen – auch Menschen mit Behinderungen.
(Foto: ORF)