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ungeteiltes Recht auf Kommunikation...

Das Recht auf (basalen) Kommunikationsaufbau unabhängig vom Schweregrad einer Behinderung


Ist-Zustand

Wir Menschen sind soziale Wesen und für eine gesunde Entwicklung sind wir auf ein Gegenüber, auf soziale Kontakte angewiesen. Es tragen viele Faktoren zu einer gesunden Entwicklung bei. Nähe, Liebe, Zuwendung und die damit verbundene Kommunikation zählen, wie noch viele andere, zu den menschlichen Grundbedürfnissen.
In der Regel erhalten Babys dieses Lebenselexier von ihren Eltern, die sie von Beginn an liebevoll umsorgen, nähren, tragen und mit ihnen kommunizieren. Sei es durch Worte, einem Lächeln, Zeichen oder durch Körpersprache. Auch eventuelle Geschwisterkinder, Großeltern, Verwandte und Freunde sind hier wichtig und tragen unbewusst und ganz selbstverständlich zur Kommunikationsentwicklung bei. Babys sind vom Beginn an von Stimme, von Sprache umgeben. Sie nehmen bekannterweise bereits im Mutterleib ihre Umgebung akustisch wahr und nach der Geburt intensivieren sich diese akustischen Reize noch wesentlich. Eltern imitieren, ganz intuitiv, die Laute ihres Babys und verleihen dieser Interaktion zusätzlich mit Zeichen, Gesten und Mimik Ausdruck. Menschen und Tiere werden benannt und Gegenstände erhalten Bezeichnungen, alles (un)bewusst, ganz selbstverständlich und hundertfach wiederholend. Das alles sind universelle Bausteine, die dazu beitragen, damit Kinder mit zunehmendem Alter ihre Sprache und Kommunikation entwickeln können. Später dann, in der Schule, wird dieses Bedürfnis nach sprachlichem Ausdruck und Kommunikation im Fach Deutsch weiterentwickelt und gefördert, ganz selbstverständlich. Es wird hier ein schulischer Schwerpunkt gelegt, die Sprache wird zu einem Hauptfach!

Worin besteht der Unterschied für ein Kind mit einer (Mehrfach)Behinderung?

Kinder mit einer (Mehrfach-)Behinderung haben oft einen schweren Start ins Leben, der mit vielen Krankenhausaufenthalten, Untersuchungen und Therapien verbunden sein kann. Statt Nähe, Geborgenheit und Freude erleben Babys oftmals Eltern, die mit Gefühlen von Ungewissheit, Unsicherheit und (Zukunfts)Ängsten konfrontiert sind. Das alles in einer sensiblen Zeit, in der sich normalerweise eine gute emotionale Bindung zu entwickeln beginnt, als Grundlage für jede weitere Entwicklung und als Grundlage für jegliches Lernen. Die natürlichen Strategien zur Kontaktaufnahme und Interaktion zwischen einem Baby und seinen Eltern basieren stark auf visuellen und auditiven Signalen. Intuitiv schauen wir einem Baby in die Augen, lächeln es an und unterstützen unsere Botschaft mit freundlicher Stimme. Stehen diese Kanäle Babys mit einer (Mehrfach-) Behinderung nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung, erschwert dies eine Kontaktaufnahme und die Interaktion. Das überfordert die intuitiven Fähigkeiten der Eltern und auch der Säuglinge gleichermaßen.

Der Prozess der Kommunikationsentwicklung verläuft bei allen Säuglingen gleich, ob mit Behinderung oder ohne Behinderung. Der Unterschied besteht darin, dass dieser Prozess unter anderen Bedingungen stattfindet, was eine kompetente und professionelle Unterstützung und Begleitung der Eltern erfordert. Leider findet diese Unterstützung der Eltern immer noch über weite Strecken nicht statt, weder in der Frühförderung, noch in den Kinderkrippen und Kindergärten und leider auch nicht in den (Sonder-)Schulen.

Das Fach Kommunikation steht nur bei sehr, sehr wenigen Kindern mit Mehrfachbehinderungen und erhöhtem Förderbedarf auf dem Stundenplan. Auch unter dem Fach lebenspraktische Fertigkeiten wird dazu meist kein Schwerpunkt gesetzt. Mädchen und Buben mit erhöhtem Förderbedarf, aufgrund einer körperlichen Einschränkung, haben oft noch Glück und es werden ihnen z.B. technische Hilfsmittel als Zugang zur Kommunikation zur Verfügung gestellt. Kinder mit einer zusätzlichen Lernbehinderung haben dieses Glück in den allermeisten Fällen nicht und es findet immer noch sehr oft kein (basaler) Kommunikationsaufbau statt. Ohne professionelle Unterstützung ist es für Eltern aber kaum möglich den Prozess des (basalen) Kommunikationsaufbaus zu initiieren und aufrecht zu erhalten. Das liegt im Verantwortungsbereich von FrühförderInnen, TherapeutInnen und PädagogInnen unter Einbindung des Elternhauses. Findet dieser Prozess nicht statt und das ist oft leider immer noch eine Tatsache, so kann dies für die betroffenen Mädchen und Buben verheerende Folgen haben und endet oft fatal. Das nicht zur Verfügung stellen von Kommunikation und das daraus resultierende sich Nicht mitteilen können und nicht Verstanden werden, führt bei vielen Kindern und Erwachsenen mit Behinderung zu Verhaltensauffälligkeiten, welche meist nicht als Ausdruck fehlender Kommunikationsmöglichkeiten gedeutet werden.
Die Antwort auf Verhaltensauffälligkeiten besteht dann vielfach immer noch in der Verabreichung von Psychopharmaka. Medikamente statt adäquatem Kommunikationsaufbau. Das begleitet gar nicht wenige Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung leider ihr ganzes Leben und ist eine Form von Gewalt die beendet werden muss!

UN-Behindertenrechtskonvention

Österreich hat sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, geeignete Schritte und Maßnahmen zu ergreifen und das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu gewährleisten und zu fördern. Diese staatliche Verpflichtung besteht in gleichem Maße auf Landes- und kommunaler Ebene.
Der Artikel 3 der UN-Behindertenrechts-Konvention bestimmt als allgemeine Grundsätze für den/die Einzelnen u. a. das Recht auf Nichtdiskriminierung, das Recht auf volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft, das Recht auf Chancengleichheit und das Recht auf Achtung vor dem sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen....
Der Artikel 7 der UN-Behindertenrechtskonvention anerkennt, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten beanspruchen können. Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen das Recht haben, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen Kindern frei zu äußern, wobei ihre Meinung angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt wird, und behinderungsgerechte sowie altersgemäße Hilfe zu erhalten, damit sie dieses Recht verwirklichen können.

Fazit und Forderung

„Man kann nicht nicht kommunizieren!" Dieses Zitat von Paul Watzlawick trifft auf uns alle zu, unabhängig davon ob wir über das Persönlichkeitsmerkmal Behinderung verfügen oder nicht. Die eigenen Gedanken und Ideen mitzuteilen und verstanden zu werden, auch Erlebtes zu erzählen, ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Es ist ein Menschenrecht!

In der Gesellschaft fehlt oft noch das Bewusstsein, dass Kinder und erwachsene Menschen mit Behinderung ebenso kommunizieren, auch wenn sie dazu möglicherweise keine Worte verwenden (können). Wir alle teilen uns bereits als Baby mit, wenn wir Hunger haben oder sonst Unbehagen verspüren. Zu Beginn unseres Lebens verfügen wir noch über keine Worte und doch kommunizieren wir. Kommunikation muss erst aufgebaut werden und am Ende dieses Prozesses steht uns im besten Fall die Sprache zur Verfügung. Nicht jeder Mensch kann diesen ganzen Prozess durchlaufen und sich dann mit Worten verständigen, aber immer muss uns klar sein, dass ein Mensch auch kommuniziert, wenn ihm keine Worte zur Verfügung stehen. Es ist die Verantwortung von Eltern, Fachpersonen und dem privaten sozialen Umfeld, Kinder in diesem Prozess bestmöglich zu unterstützen. Auch sollten wir alle an den Erfahrungen und Meinungen von Menschen mit Unterstützungsbedarf interessiert sein und sie als Chance für eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft sehen.

Eltern befinden sich in einer Art Ausnahmezustand, wenn sie die Diagnose Behinderung für ihr Kind erhalten und Eltern sind sehr darauf angewiesen, dass sie ausreichende und angemessene Unterstützung und Entlastung auf diesem Weg erhalten. Diese Unterstützung und Begleitung ist, neben eventuell notwendigen Therapien und Förderangeboten, vor allem auch für den Bereich (basaler)Kommunikationsaufbau erforderlich und muss als ganz selbstverständlicher Teil in den familiären Alltag einfließen, so wie dies bei allen Babys und kleinen Kindern geschieht. Da dieser Kommunikationsaufbau oft unter erschwerten Bedingungen stattfindet, müssen Eltern in ihrem intuitiven Verhalten bestärkt werden und zudem spezifische Informationen erhalten, damit sich dieser Prozess kontinuierlich fortsetzen kann.

Eltern benötigen auf diesem Weg Beratung und Begleitung durch Fachpersonen. Auch für Kinder mit Behinderung muss zukünftig bereits ab Geburt ein adäquater Kommunikationsaufbau sichergestellt werden. Der Bereich Kommunikationsaufbau muss ein ganz selbstverständlicher Teil der Frühförderung, der Förderung in der Kinderkrippe und im Kindergarten werden und sich dann in der Schule fortsetzen. Und, es ist erforderlich, dass auch das gesamte familiäre Unterstützungssystem in diesen Prozess eingebunden ist und alle sozusagen an einem Strang ziehen. FrühförderInnen und PädgogInnen müssen zukünftig ausreichend dafür geschult werden, denn in den derzeitigen Ausbildungen ist das Thema Kommunikationsaufbau und die praktische Umsetzung nur ansatzweise verankert. Eltern dürfen auf diesem Weg mit ihrem Kind nicht allein gelassen werden, dies ist unabdingbar für eine positive Entwicklung dieses Prozesses und das spätere Leben von Kindern und erwachsenen Menschen mit Behinderung!

 

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