Wenn Klarheit fehlt, wachsen Ängste

Veröffentlicht am 25. Juni 2025 um 19:02

Die aktuelle Diskussion rund um die Beiträge des Landes Tirol zur Konsolidierung des Budgets sorgt für massive Verunsicherung – gerade bei jenen, die ohnehin Tag für Tag um Teilhabe und Würde kämpfen müssen.
Menschen mit Behinderungen und ihre Familien, oft bereits durch Bürokratie, finanzielle Belastung und soziale Ausgrenzung gefordert, sehen sich nun mit der nächsten Unsicherheit konfrontiert:
Wird an ihnen gespart? Wird dort gekürzt, wo Unterversorgung längst traurige Realität ist?

Beratungsvereine – systemrelevant, aber förderabhängig

Kaum jemand weiß: Beratungsstellen, die Menschen mit Behinderungen begleiten, beraten und stärken, sind nicht über das Tiroler Teilhabegesetz abgesichert. Beratungsangebote – etwa von Integration Tirol, dem ÖZIV oder der Autistenhilfe Tirol – gelten nicht als gesetzlich definierte Leistung. Sie sind förderfinanziert. Das bedeutet: Jahr für Jahr müssen wir neu verhandeln, beantragen, begründen. Diese Praxis war schon in der Vergangenheit fahrlässig. Sie macht Angebote prekär, verhindert langfristige Sicherheit – für Klient:innen wie für Fachkräfte.

Was wir tun – und was wegfallen würde

Allein bei Integration Tirol fanden im letzten Jahr 5.946 Beratungen statt.
Und das sind keine „netten Gespräche im Plauderton“ – es geht oft um nicht weniger als Existenzsicherung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen – und ihre Familien.
Unsere Themen: Pflegegeld. Schulassistenz. Persönliches Budget. Persönliche Assistenz. Mobile Unterstützungsleistungen. Familienbeihilfe. Bildung. Arbeit. Wohnen. Partnerschaft. Sexualität.
Mehr als 10 % unserer Beratungen 2024 betrafen explizit Gewalt – nicht als Schlagwort, sondern als Realität: Mobbing, Isolation, psychische Gewalt, Überforderung, Missbrauch.
Wir beraten niederschwellig, begleiten zu Antragsstellungen, Gerichtsterminen oder Elternabenden. Wir vernetzen Eltern untereinander, tragen Expertise und Perspektiven weiter.
Wir hören zu – wenn sonst niemand mehr zuhört und Handeln - wenn Handlung notwendig ist. 

Und wenn wir das nicht mehr im gewohnten Ausmaß tun können… 
Was hieße eine Kürzung um 15 % für einen kleinen Verein, der große Teile seiner Arbeit ehrenamtlich leistet, ganz konkret? Wir könnten nicht einfach weniger Miete zahlen. Es gibt keine "versteckten Reserven". Das heißt konkret: Wir müssten eine unserer vier Berater:innen entlassen. Oder beginnen, unsere – oft selbst armutsbetroffenen – Klient:innen zur Kasse zu bitten. 

Ja, Sie haben richtig gelesen: In ganz Tirol gibt es genau vier Berater:innen in Teilzeitanstellungen, die sich hauptberuflich mit unabhängiger Familienberatung für Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen befassen.


Was der Wegfall eines Viertels unseres Angebots bedeutet, kann sich jede:r ausmalen:

• Die Wartelisten werden noch länger (schon jetzt warten viele Familien wochenlang).
• Familien kommen nicht zu Leistungen, die ihnen zustehen.
• Überforderung wird zur Krise.
• Man lässt Familien im Stich.


Was dabei oft übersehen wird: Unsere Beratungen verhindern Kosten. Sie verhindern Eskalation, Überforderung, Systemversagen. Wer früh beraten wird, hat bessere Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben – und entlastet nebenbei Verwaltung, Schule, Gesundheitssystem.
Warum? Weil wir kurze Wege kennen – und sie mitgehen.


Klar ist bislang nur eines: Klar ist nichts.

15 % der gesamten Fördermittel sollen weg. Wie und wo? Weiß niemand.
Statt eines geordneten, offenen Diskurses über Prioritäten und gesellschaftliche Verantwortung, wird anscheinend pauschal mit dem Rasenmäher über alle Förderungen hinweggekürzt – als Gegenmodell zur viel gescholtenen Gießkanne.

Verlautbarungen? Beschlüsse? Gespräche? Fehlanzeige.
Vom Landeshauptmann abwärts scheint zu gelten: Schweigen ist Gold. Bloß keine Angriffsfläche bieten.
Dabei will gar niemand angreifen: Betroffene wollen einfach mit an den Verhandlungstisch. Es geht um Mitsprache, Klarheit und Transparenz. Gibt es noch eine gezielte Auseinandersetzung mit der Frage der gesellschaftlicher Verantwortung – insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Familien? 
Die Bereiche Inklusion, Behindertenhilfe und Bildung sind keine Orte zum Sparen. Hier ist nichts zu holen. Darum fordern wir:

• Transparenz
• Ehrliche Gespräche mit Betroffenen und Trägervereien
• Einen klaren politischen Beschluss
• Verzicht auf Kürzungen im Bereich Inklusion und Behindertenhilfe

 

Appell an die Landtagsabgeordneten:
Zeigen Sie Haltung. In der Behindertenhilfe geht es um nichts weniger als Menschenwürde.
Hier den Sparstift anzusetzen – das wäre nicht effizient, sondern fatal.

 

Was Sie tun können: Helfen Sie mit. Werden Sie laut.


Wenn Ihnen unser Angebot geholfen hat – als Familie, als Angehörige, als Betroffene:r, als Fachkraft – dann sagen Sie es. Schreiben Sie eine E-Mail an den Landeshauptmann oder an die zuständige Landesrätin. Erzählen Sie, warum unsere Arbeit wichtig war. Und fordern Sie die Politik auf, bei der Behindertenhilfe nicht zu sparen.

Ihre Stimme zählt. Jede einzelne. Gerade Jetzt!

Jetzt aktiv werden – E-Mail an den Landeshauptmann senden
Oder schreiben Sie direkt an Landesrätin Eva Pawlata

Geben Sie uns gerne ins CC (vorstand@integration-tirol.at)
DANKE!