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Sonderschulen sind diskriminierend

"Schulische Aussonderung ist eine der schlimmsten Formen von Diskriminierung und eine ernste Verletzung der Rechte betroffener Kinder, weil deren Lernmöglichkeiten durch Isolation und das Fehlen von Inklusion in Regelschulen massiv beeinträchtigt werden." So der Kommissar für Menschenrechte des Europarats in einem Positionspapier aus dem Jahr 2017, das Eckpunkte für inklusive Schulen und Bildungssysteme ebenso beschreibt wie konkrete Schritte auf dem Weg dorthin.

Sonderschulen sollen eine Diskriminierung darstellen? Es ist anzunehmen, dass diese Aussage in Österreich vielen Menschen sehr befremdlich erscheint und kaum Zustimmung findet. Doch in menschenrechtlichen Zusammenhängen ist dieser Denkansatz keinesfalls neu. Beispielsweise hat der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in Bezug auf Menschen mit Behinderungen bereits im Jahr 1994 unmissverständlich festgehalten, dass „Segregation und Isolation durch das Auferlegen sozialer Barrieren" als Diskriminierung zu verstehen sind.

Die im Jahr 2016 vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen veröffentlichte Allgemeine Bemerkung Nr. 4 zum Recht auf Inklusive Bildung beinhaltet daher vielfältige und teilweise sehr konkrete Verweise zum Recht von Kindern mit Behinderungen auf Nicht-Diskriminierung. Dort heißt es z.B.: „Nicht-Diskriminierung schließt das Recht mit ein, nicht abgesondert zu werden und angemessene Vorkehrungen zu erhalten", oder: „Die Versagung angemessener Vorkehrungen stellt Diskriminierung dar und die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, ist unmittelbar einzuhalten und nicht etwa schrittweise umzusetzen." Am deutlichsten wird der Ausschuss in den Leitlinien zur Deinstitutionalisierung (auch in Notfällen) aus dem Jahr 2022: Die Vertragsstaaten zur Behindertenrechtskonvention werden aufgefordert, „gesetzlich an(zu)erkennen, dass die Unterbringung in einer Einrichtung allein auf der Basis einer Behinderung oder in Kombination mit anderen Gründen eine verbotene Form der Diskriminierung darstellt."

Finden sich ähnliche Verweise, dass Kinder mit Behinderungen durch Sonderschulen diskriminiert werden, auch im Ergebnis der neuerlichen Staatenprüfung Österreichs zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention, die im August 2023 stattgefunden hat? In den Abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen zeigt sich der der prüfende Ausschuss zutiefst besorgt über die fehlende Entwicklung hin zu einem inklusiven Bildungssystem in Österreich. Er kritisiert u.a. „die Priorisierung von Sonderschulen gegenüber inklusiven Schulen im Bildungsreformgesetz 2017". Österreich wird daher aufgefordert „Rechtsvorschriften zu erlassen, die einen einklagbaren Rechtsanspruch aller Kinder mit Behinderungen auf den Besuch einer inklusiven Schule, auch auf der Sekundar- und Tertiärstufe, vorsehen".

 

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