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16 Tage 16 Fälle

Frei leben ohne Gewalt


Fall 1: Psychische Gewalt durch Belästigung in der Öffentlichkeit

Johannas Sohn schafft es, an der Wursttheke selbst eine Semmel mit seinem Lieblingsbelag zu bestellen. Johanna freut sich sehr, denn für ihren Sohn ist das aufgrund seiner Behinderung eine außerordentliche Herausforderung. In diesem Moment sagt die Verkäuferin: „Mein Gott, man muss schon sehr froh sein, wenn man ein gesundes Kind hat." Für Johanna ist diese ableistische Äußerung ein Schlag in die Magengrube. Sie kann sich über den Erfolg ihres Sohnes gar nicht mehr freuen.

Fall 2: Psychische Gewalt durch Belästigung in der Öffentlichkeit

Magda hasst es, wenn sie im Bus von anderen Fahrgästen aufgrund ihrer Behinderung angestarrt wird. Sie will deshalb die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr benützen, obwohl diese für sie barrierefrei zugänglich wären.

Fall 3: Psychische und strukturelle Gewalt durch Vorenthaltung bedarfsgerechter Unterstützung

Ingrid erwartet ihr zweites Kind. Sie benötigt Unterstützung vor und nach der Geburt ihres Babys, da ihr die Pflege ihres vierjährigen Sohnes, der mit einer Mehrfachbehinderung lebt, hochschwanger nicht möglich ist. Ihr Antrag auf Erhöhung der Stunden für Familienentlastung wird von der Behörde abgelehnt, diese schlägt dafür die Unterbringung in einem Heim für behinderte Kinder vor. Statt sich auf die Geburt des Babys vorzubereiten und gemeinsam mit dem Geschwisterkind darauf freuen zu können, muss sich die Mutter gegen das diskriminierende Angebot der Behörde zur Wehr setzen und ist während der Schwangerschaft großem Stress ausgesetzt.

Fall 4: Körperliche Gewalt beim Schultransport

Inga wird täglich mit dem Behinderten-Transport zur Schule und wieder nach Hause gebracht. Bei einer dieser Fahrten wird das Mädchen vom Busfahrer geohrfeigt. Inga hat keine verbale Sprache und kann daheim nicht darüber berichten. Allerdings beobachtet ein anderes Kind die Situation und erzählt diese seinen Eltern. So erfahren Ingas Eltern davon und können den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige bringen.

Fall 5: Strukturelle Gewalt und psychische Gewalt durch reduzierte Zeit im Kindergarten

Pia darf, wie alle anderen Kinder mit Behinderung in ihrem Kindergarten, die Integrationsgruppe nur von 8:00 – 11:30 Uhr besuchen, da die Sonderkindergärtnerin bereits um 12:30 Uhr ihren Dienst beendet. Einerseits ist dadurch ihre elementare Bildung reduziert, andererseits benötigt Pias Mutter aber für den Wiedereinstig in den Beruf Betreuung bis 14 Uhr. Das AMS macht der Mutter großen Stress.

Fall 6: Psychische Gewalt durch Behörden bei Antragstellung

Theresa hat aufgrund ihrer Behinderung einen sehr hohen Unterstützungsbedarf. Bei der Beantragung von Leistungen der Behindertenhilfe erlebt sie immer wieder herabwürdigendes Verhalten von Sachbearbeiter:innen. Ihr wird gesagt: „Wenn jemand 24 Stunden Assistenz benötigt, hat das nichts mehr mit Teilhabe zu tun." Sie solle in ein Heim ziehen oder mehr fernsehen, dann brauche sie weniger Assistenz. Aufgrund dieser Aussagen beginnt Theresa an sich selbst und an ihrem Wunsch nach selbstbestimmtem Leben in den eigenen vier Wänden zu zweifeln. Bei weiteren Terminen wird sie von einer Freundin zur Behörde begleitet, aber auch zu zweit können sie sich nicht ausreichend gegen die ablehnenden und ableistischen Aussagen der Sachbearbeiter:innen wehren. Erst als sich Theresa von einem Rechtsanwalt unterstützen lässt, ändert sich das Verhalten der Mitarbeiter:innen in der Behörde, erst jetzt werden ihre Anträge angemessen bearbeitet.

Fall 7: Körperliche und psychische Gewalt bei ärztlicher Behandlung

Bei Milanas Tochter wird ein Abszess im Mundbereich diagnostiziert. Ein Eingriff in Narkose wird von ärztlicher Seite als notwendig erachtet, es erfolgt allerdings keine nähere Abklärung mittels Röntgen. Nach dem Eingriff wird der Mutter mitgeteilt, dass vier bleibende Zähne gezogen wurden, weil einer davon vermutlich für das Entstehen des Abszesses verantwortlich gewesen sei. Milana ist schockiert. Auf die Frage, wie ihre Tochter nun essen solle, meint die Ärztin verwundert: „Ihre Tochter braucht doch keine Zähne, sie ist ja schwerstbehindert. Ein Zahnersatz kommt jedenfalls nicht in Frage".

Fall 8: Strukturelle und psychische Gewalt durch stark reduzierte Zeit im Kindergarten

Diana ist vier Jahre alt und mehrfachbehindert, ihre Eltern suchen für sie erfolglos einen Platz im Kindergarten. Schließlich darf das Mädchen zweimal pro Woche für jeweils eine Stunde den Kindergarten besuchen. Für die Mutter bedeutet dies eine enorme zeitliche und organisatorische Belastung, da sie sich auch um die beiden jüngeren Geschwister kümmern muss. Zusätzlicher Stress entsteht dadurch, dass diese zwei Stunden jederzeit gestrichen werden könnten.

Fall 9: Psychische Gewalt durch willkürliche Reduktion von Assistenzstunden

Als für Andrea, 17 Jahre, die Berufsvorbereitungsphase beginnt, kürzt die Behörde ihr Stundenkontingent für Assistenz in der Freizeit. Erst nach mehrmaligem Urgieren, Verhandeln und der Androhung eines Schlichtungsverfahrens wegen Diskriminierung lenkt die Behörde ein und die Assistenzstunden für die Freizeit werden auf das zuvor gewährte Ausmaß erhöht.

Fall 10: Sexuelle Gewalt durch Mitbewohner in einem Pflegeheim

Drei ältere Frauen, die aufgrund von Demenz in einer Einrichtung leben, erleben regelmäßig sexuelle Übergriffe durch einen Mitbewohner. Obwohl dies bekannt ist, gelingt es nicht, die drei Frauen vor weiteren Übergriffen zu schützen.

Fall 11: Diskriminierung in der Arbeitswelt

Nora ist im letzten Schuljahr und absolviert erfolgreich ein Praktikum in einer Gärtnerei. Eine Anstellung wird in Aussicht gestellt, ein weiteres Praktikum vereinbart. Es erfolgt dann allerdings eine Ablehnung, da sich die Mitarbeiter:innen des Betriebes in einer Abstimmung klar gegen eine Anstellung der jungen Frau aussprechen, aufgrund ihrer Behinderung.

Fall 12: Psychische Gewalt durch Mitschüler:innen und Lehrpersonen

Lisa, die eine Neue Mittelschule besucht und dem regulären Lehrplan gut folgen kann, wird aufgrund ihrer Behinderungen von ihren nichtbehinderten Mitschüler:innen immer wieder belästigt und herabgewürdigt. Einmal sagt ein Mitschüler zu ihr: „Wenn ich deine Mutter wäre, hätte ich dich abgetrieben." Auch die Lehrpersonen verhalten sich wenig unterstützend, sie sind der Meinung, dass für Lisa eine Sonderschule besser wäre. Das Mädchen erlebt ihre Schulzeit als psychisch sehr belastend.

Fall 13: Sexuelle Gewalt durch Mitarbeiter eines Fahrtendiensts

Manuela ist fünf Jahre alt und lebt mit einer schweren Mehrfachbehinderung. Sie wird vom Fahrer eines Behindertentransports sexuell schwer missbraucht. Der Mann ist geständig und wird rechtskräftig verurteilt.

Fall 14: Körperliche und psychische Gewalt in einem Kinderheim

Monika hat ihre Schulzeit aufgrund ihrer Behinderung in Heimen verbracht. Obwohl sie mittlerweile über 70 Jahre alt ist, hat sie die körperliche und psychische Gewalt, die sie dort erlebte, in schmerzhafter Erinnerung. Mit Unterstützung beantragt sie eine Opferschutzrente, die ihr zugesprochen wird.

Fall 15: Körperliche Gewalt durch Freiheitsbeschränkungen in der Schule

Eva hat einen großen Bewegungsdrang und bleibt in der Schule nicht auf ihrem Platz sitzen. Die Lehrpersonen sperren daher immer wieder die Klassentüre ab und fixieren das Mädchen mit einem Gurt am Stuhl. Ein Gericht erklärt diese Maßnahmen für unzulässige Freiheitsbeschränkungen.

Fall 16: Sexuelle Gewalt bei medizinischer Untersuchung

Gamze, eine junge Frau mit einer Behinderung, hat einen Kontrolltermin beim Gynäkologen. Als sie wehrlos im Untersuchungsstuhl liegt, nimmt der Gynäkologe sexuelle Handlungen an sich und auch an der jungen Frau vor.

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