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Zeugnisverteilung Inklusion

"Manchmal macht das Kindeswohl den Besuch einer Sonderschule notwendig", meint der Bundesminister für Bildung in der Fragestunde zu Bildungsthemen am Ende des Schuljahres. Ganz offensichtlich hat der BM die UN-BRK nicht verstanden, meinen wir. Vielleicht wird ihm die Staatenprüfung der UN im Herbst aber weiterhelfen. Etwas Nachhilfe wird dem Bundesminister und den seinen gewiss nicht schaden. Jetzt sind wir ja grundsätzlich Feinde von Noten zu Motivationszwecken. Für Bildungsagenden machen wir aber gerne eine Ausnahme. Also auf geht's. Zeugnissverteilung Inklusion:

Fortschritte gibt es bei der schulischen Assistenz in Bundesschulen. Im letzten Moment konnte erwirkt werden, dass das BM auf das Rechtsurteil zur Assistenz in Bundesschulen (lesen Sie mehr im Newsletterarchiv ) mit Bewilligungen der Anträge reagiert. Angeblich werden sogar bis zu 36 Wochenstunden bewilligt (Was nun wohl die Frage nach der Ungleichbehandlung mit allgemeinen Pflichtschulen aufwerfen wird). Allerdings fehlt bislang eine Organisationsstruktur die klar regelt, wer für die Umsetzung dieser zuständig ist. Die bewilligten Anträge gehen dieser Tage raus. Es bleibt also spannend, ob die betroffenen Familien bis Herbst eine Assistenzperson finden können und wer diese dann anstellt. Beurteilung: Im letzten Moment wurde aus einem Nicht Genügend ein Befriedigend.

Demgegenüber bleibt es bei keinem Rechtsanspruch auf ein 10., 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderungen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass es hier zuerst eine Rechtssprechung braucht. Das Bildungsministerium argumentiert hier ernsthaft, dass eine Positivquote von 90% eh irgendwie passen würde. In Wien wird auf die fortan passierende Prüfung durch das BM mit der Schaffung neuer, nicht einmal barrierefreier (Ab)Sonderschulen reagiert. Dass sich Wien dafür feiert, ist das eine, dass der BM nicht einmal ein Problem erkennt, das andere. Klare Beurteilung: Nicht Genügend.

In Tirol muss die Schulassistenz derweil zwangsweise auf neue Beine gestellt werden. Die GemNova ist Geschichte. Medial werden die Stimmen der Bürgermeister, der gekränkte Gemeindebundchef, alle Oppositionspolitiker befragt. Okay. Wenig ist zu lesen, wie es den 700 Angestellten geht. Noch weniger, wie auf Dienstleistungen angewiesene Familien jetzt zittern. Vage ist die Rede von einer "Bildungspool GmbH", in der das Land Schulassistent:innen und Freizeitpädagogen übernehmen will. Wenig Zeit bleibt, um das ordentlich zu organisieren. Dabei wäre die Sache ganz einfach: Assistent:innen ab in die Abteilung Bildung. Ordentliche Arbeitsverträge. Eigene Subabteilung samt klaren Verantwortlichen für das Finden von Arbeitnehmer:innen. Wird dieser Schritt gewagt, profitieren alle und: Die Frage, wer sich fortan um die Organisation von Assistenz in Bundesschulen zu kümmern hat, hat sich gleich miterledigt. Note können wir noch keine geben, wir hoffen aber sehr, dass es keinen Nachzipf braucht.

Auch der Kindergarten ist ein Bildungsthema. Hier häuften sich im letzten Jahr, speziell im Raum Innsbruck, verzweifelte Anfragen. Das Finden von Kindergartenplätzen für Kinder mit Behinderungen gestaltet sich zunehmend schwierig. Häufig wird in letzter Minute doch eine "Lösung" gefunden. Lösung heißt dann meist reduzierte Stundenanzahl. Die "Befreiung" vom Pflichtkindergartenjahr erweist sich hier oft als Hemmschuh. Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bleibt als Forderung bestehen. Generell orten wir im Kindergarten aber eine Geinnung, die ermöglichen will. Dafür ein Danke an die Vielzahl der Elementarpädagog:innen im Land. Insgesamt trotzdem: Nicht Befriedigend.

Ähnlich divers zeigt sich die Situation mit Blick auf die handelnden Pädagog:innen und Schulleiter:innen. Von extrem engagiert und offen bis zu zusätzlich behindernd kam uns im letzten Jahr alles unter. Besonders hervorheben möchten wir hier den "Aktionstag Bildung". 11.000 Bildungsbewegte in ganz Österreich auf den Straßen. Darunter viele Lehrer:innen, die lautstark für Inklusion und gemeinsames, neues Lernen plädieren. Mit so viel Nachdruck, dass selbst die offizielle Gewerkschaft ein Pamphlet veröffentlicht. Okay – in diesem geht es zwar nicht mehr um die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems, den Abbau von Barrieren und echte Chancengleichheit, sondern darum, den "Sonderpädagogischen Förderbedarf mit all seinen Facetten an die realen schulischen Notwendigkeiten anzupassen" (was auch immer das heißt). Immerhin wird aber nicht mehr von Inklusion und Vielfalt als Zusatzbelastung gesprochen. Mit Blick auf die letzten Leistungen, wohlwollend: Befriedigend.

Was gleichzeitig weiterhin vollkommen fehlt: Klare Ansprechpartner:innen mit Befugnissen in der BiDion. Zwar gibt es im Bildungsstab noch einige alte Häsinnen, mit denen man nach wenigen Sätzen übereinstimmt und Diversitätsmanagerinnen, die hinter vorgehaltener Hand selbst klagen, dass alles schwieriger wird, Beratungslehrer:innen die genau deshalb hinschmeißen. Aber solange es in der BIDion kein klares Bekenntnis zur Inklusion gibt, nützen diese nichts. Im Gegenteil, der Bildungsdirektor selbst spricht von einem "pragmatischen Zugang zur Inklusion ". Dabei wird die Frage der Inklusion zur reinen Rechtsmaterie degradiert. Statt dass man schaut, wie Mittel pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden können, wie Unterricht gestaltet werden kann, wie Mittel endlich aufgestockt werden können, wie gemeinsames Lernen gelingen kann, heißt es knapp: Sonderschulen müssen bleiben, das sieht das Gesetz vor (verschwiegen wird naturgemäß, dass es für die Wahlfreiheit keine 15 Sonderschulen in Tirol braucht). Da sich niemand zuständig fühlen will, beziehungsweise jene die wollen, nicht ins Wirken kommen: Note: Nicht Genügend.

Dann gibt es noch den Bereich Übergang Beruf-Schule. Hier erfreut die für Herbst angekündigte Gesetzesnovelle, welche die Einstufung als berufsunfähig zukünftig nicht vor dem 25. Lebensjahr ermöglichen soll und Jugendliche/junge Erwachsene mit Behinderungen Ausbildungsmaßnahmen des AMS offenstehen sollen. Ein Schritt in die richtige Richtung. Nur: Ohne Maßnahmen zur Unterstützung bei der Berufsorientierung, Schaffung von Ausbildungsplätzen in Betrieben, ausreichendem Assistenzpersonal und gezielten Schritten zur Deinstitutionalisierung wird hier nur Zeit gewonnen, aber nichts Substantielles erreicht. Note: Wird erst beurteilt, wenn im Herbst ein echter Schritt in Richtung der Ankündigung erfolgt.

Abschließend wäre da noch der Punkt Sommerbetreuung für Kinder mit Behinderungen. Da es diese jedoch weiterhin nicht gibt (bzw. neuerdings exklusiv in exkludierenden Settings), muss hier wohl ein "nicht teilgenommen" stehen.

Kurzum: Viel zu tun im neuen Schuljahr. Wir bleiben dran und untestützen gerne beim Lernen.

 

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